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Mo, 30. Mai 2022 – Linden im Landkreis Uelzen

Familienbetrieb Harleß in Linden

Wo jedes Schwein die Fürsorge genießt, die es braucht

Im Jahr 2009 fing alles an. Damals ist Familie Harleß mit 1200 Plätzen in die Schweinehaltung nach gesetzlichem Standard eingestiegen. Bereits 2011 wollte man aber „mehr“ – und der Hof Harleß schaffte es als erster Betrieb in Deutschland auf die „Einstiegsstufe Tierschutzlabel“

(Haltungsstufe 3, nach Einstufung der Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung). Zwischen 2015 und 2019 konnte der Betrieb zudem am „Modell und Demonstrationsvorhaben Tierschutz“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft teilnehmen. Dabei standen die Schwänze der Schweine als das Zeichen für Tierwohl im Fokus. Über die Zeit gab es sowohl wissenschaftliche als auch finanzielle Unterstützung für die Landwirte und sie konnten – in geschütztem Umfeld – Vieles ausprobieren. All das, aber auch das weitreichende Netzwerk, das darüber entstanden ist, weiß die Familie Harleß bis heute sehr zu schätzen.

Aktuell werden in Linden im Schnitt rund 1000 Tiere mit Ringelschwanz gehalten und der Betrieb ist bei der „Initiative Tierwohl“ (Haltungsstufe 2) zertifiziert. Die Zertifizierung innerhalb Haltungsstufe 3 musste leider ausgesetzt werden, da derzeit keine dafür zertifizierten Ferkel verfügbar sind.

„Unter Berücksichtigung eines achtungsvollen Miteinanders von Mensch und Tier möchten wir für uns und unsere Nachbarn gesunde Lebensmittel produzieren. Diese Nutztierhaltung dient unserem Broterwerb.
Wir versuchen diese Nutztierhaltung nachhaltig und verständlich für Mensch, Tier und Umwelt umzusetzen. Die Grundlage für unser Handeln ist Beständigkeit, die nicht jeder Welle folgt und trotzdem flexibel genug ist, um neuen Erkenntnissen gegenüber offen zu sein.“

(Leitbild der Familie Harleß vom April 2011)

Eine aufgeweckte und neugierige Bande
Eine aufgeweckte und neugierige Bande
Foto: Harleß
Ketten und Seile, die als Spiel- und Knabberzeug dienen
Ketten und Seile, die als Spiel- und Knabberzeug dienen
Foto: Harleß

Karl und Gesine Harleß sowie Sohn Phillip sind sich einig: Tierwohl muss man wirklich wollen. Denn damit es Tieren gut geht, müssen eine Vielzahl von Faktoren stimmen. So reicht es ihrer Meinung nach nicht aus, lediglich ausreichend Platz zur Verfügung zu stellen. Vielmehr muss der Landwirt dazu bereit sein, dauerhaft ein hohes Maß an Energie und Fürsorge für die Tiere aufzuwenden. Es gilt, sich ausreichend mit ihnen auseinanderzusetzen und sie in ihrem Verhalten zu beobachten. Auf diesem Weg können Auffälligkeiten frühzeitig erkannt und darauf reagiert werden. Die Ursachenforschung ist dabei mit eine der wichtigsten Aufgaben.

Ein Schweineleben auf dem Hof Harleß

Die Ferkel kommen mit ca. 10 Wochen bzw. rund 30 kg vom Erzeuger auf den Hof Harleß und bleiben dann dort für ca. 12 Wochen.

Der entscheidende Moment für alles Weitere ist die Ankunft der Tiere in Linden und der erste Eindruck, der sich ihnen dort bietet. Daher achtet Karl Harleß stets sehr genau darauf, dass sie freundlich empfangen und der Stall bzw. die Buchten perfekt für die Ferkel vorbereitet sind.

Die Schweine kommen in ein völlig neues Umfeld und müssen sich dann erst einmal eingewöhnen. Um ihnen das zu erleichtern, genießen sie in den ersten Wochen eine besonders intensive Betreuung. Schwierige Tiere offenbaren sich normalerweise recht bald. Auf sie wird auch in den darauffolgenden Wochen ein spezielles Augenmerk gelegt.

Was bei der Besichtigung des Stalls umgehend auffällt, ist die relativ gute Luft, für die entsprechende technische Systeme sorgen. Darüber hinaus sind die Buchten – bis auf die gewollten Kotecken – recht sauber.

Besonderen Wert legt Familie Harleß auch darauf, den Schweinen im Stall vielerlei Wahlmöglichkeiten zu bieten. So können sie sich z.B. je nach Belieben an unterschiedlichen Futterstellen bedienen. Und sie können sich im helleren Bereich aufhalten, wo Spiel- und Knabberzeug zur Verfügung stehen, oder sich in dem dunkleren Bereich der Bucht für Ruhephasen zurückziehen. Sämtliche Ausstattung ist dabei so angebracht, dass die Tiere ihre Köpfe nicht unnatürlich nach oben strecken müssen. Zum anderen können sie so Beschäftigungsmöglichkeiten auch im Liegen nutzen. Alles mit dem Ziel, dass jedes Tier seine Individualität möglichst gut ausleben kann.

Futterstellen Variante 1 - Breiautomat
Futterstellen Variante 1 - Breiautomat
Foto: Harleß
Futterstellen Variante 2 - Raufutterautomat
Futterstellen Variante 2 - Raufutterautomat
Foto: Harleß

Im Stall findet sich auch ein ausreichend groß dimensionierter und separater „Reha“-Bereich für kranke und auffällige Tiere, in dem sie einzeln oder in sehr kleinen Gruppen gehalten werden können. Für erforderliche Behandlungen nimmt man sich ausreichend Zeit, um die Schweine nicht noch zusätzlichem Stress auszusetzen. Dabei werden – je nach Situation – unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten gegeneinander abgewogen. So hat Familie Harleß bzw. die Tierärztin ihres Vertrauens in der Vergangenheit auch schon mehrfach homöopathische Mittel erfolgreich eingesetzt (z.B. bei Lähmungserscheinungen oder Entzündungen). Bei Bedarf wird auch auf Bewegungstherapie zum Muskelaufbau zurückgegriffen.

„Entscheidend ist nicht der Stall, sondern der Tierhalter und seine Sicht auf die Tiere. Dabei ist jedes Tier als eigenes Individuum zu verstehen.“

(Zitat Harleß)

Und dass es den Schweinen in Linden gut geht, sie augenscheinlich gesund und glücklich sind, erkennt man beim ersten Blick in die Buchten: So wendet sich innerhalb weniger Sekunden eine aufgeweckte und neugierige Bande mit aufgerollten Ringelschwänzen und aufgestellten Ohren dem Menschen zu.

Wie geht es weiter auf dem Hof Harleß?

Karl, Gesine und Phillip überlegen weiter zu investieren, um höhere Haltungsstufen bedienen zu können. Diese Gedanken liegen aber aktuell auf Eis. Warum? Die Unsicherheiten, mit denen sie – sowie der Rest der Welt – sich derzeit konfrontiert sehen, sind einfach zu groß. Gleichzeitig ist der Mehrwert weiterer Umbauten für die Tiere und ihren Schutz nur gering.

Und zum Schluss gibt es noch für all diejenigen, die nun neugierig geworden sind, gute Nachrichten: Kürzlich hat der Hof Harleß die Direktvermarktung gestartet!

Bei Interesse an Schweinefleisch vom Hof Harleß einfach eine Mail an schwein-harless@t-online.de schicken. Man wird damit in den Verteiler aufgenommen und über ihre Tierhaltung sowie anstehende Schlachtungen einzelner Tiere informiert. Aktuell wird zwei- bis dreimal pro Jahr geschlachtet. Bei Bedarf gibt man dann zum Schlachttermin einfach eine Bestellung auf, die man vor Ort abholt.

Der NABU Uelzen hofft, dass sich die Familie Harleß auch weiterhin so für das Thema Tierwohl stark macht und wünscht ihr alles Gute für die Zukunft!

Text: Kristina Huber

Kategorie: Ökologisch leben

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