Fr, 18. September 2020 – Uelzen
Interview mit Jörg Grützmann
Jörg, was treibt einen Oldenburger regelmäßig in den Landkreis Uelzen?
Ich wurde 1954 in Bevensen geboren und lebte bis zum Ende meines Wasserbaustudiums in Suderburg (Examen 1978) im Landkreis Uelzen. Nach meinem Zivildienst auf Sylt (Vogelschutz/Prof. Dr. Herbert Bruns) ging es nach Oldenburg, wo ich seit 1979 lebe. Von 1983 bis bis zu meiner Verrentung 2020 arbeitete ich als Dipl. Ing. im Geologischen Dienst für Bremen.
Oldenburg ist nur 200 km von meinem Heimatlandkreis entfernt. Da ist man schnell wieder in Uelzen. Meine vogelkundlichen Tätigkeiten hier im Landkreis habe ich auch während meiner Dienstzeit immer so gut es ging weiter verfolgt. Speziell der Ortolan hat es mir seit meiner ersten Begegnung mit dieser Art sehr angetan. Aber auch die Feldlerche kommt immer weiter in meinen Fokus: Meine von damals bis heute dokumentierten Beobachtungen lassen interessante Schlüsse für den Schutz dieser Art zu.
Wann und wie wurde dein Interesse an der Natur geweckt?
Es war unser Nachbar in Bevensen, Rolf Alpers, der meinen 10jährigen Bruder Thomas und mich 1968 „an die Hand“ nahm und mit uns Radtouren zur Erkundung der Gegend und der Vogelwelt machte. Er war der Auslöser. Ab 1969 war dann der Ebstorfer Mittelschullehrer Otto Wernick derjenige, der uns mit pädagogischem Geschick und vielen „Eselsbrücken“ (Dorngrasmücke: „He da! Sie da! Gehen Se weg da!“) die Gesänge der Vogelarten des Ilmenautales beibrachte.
Welches waren und welches sind deine Schwerpunkte?
Neben der reichhaltigen Vogelwelt des Landkreises Uelzen beschäftige ich mich seit Jahrzehnten mit der Flussperlmuschel, den Alleen der Kreisstraßen und den Apfelbäumen an den Straßen und Wegen des Landkreises. Ich kenne jede Ecke des Landkreises Uelzen wie meine Westentasche.
Mein Interesse an den Flussperlmuscheln wurde durch meine Ahnenforschung geweckt: Ich habe einen „Perlfischer“ in meiner Vorfahrenschaft (Johann Ringelmann, 1699 tätig als Muschelperlensucher in der Gerdau) und später begleitet und gefördet von Wieland Utermark, der sich seit Jahrzehnten mit der Art im Landkreis Uelzen beschäftigt hat. Derzeit betreue ich mit zwei Forschungstauchern den Restbestand von etwa 10 alten Flussperlmuscheln in der Gerdau.
Obstbäume in der Landschaft bieten nicht nur Insekten und Vögeln Lebensraum und Nahrung, sondern auch meinem Bruder und mir ab 1970: Die Radtaschen waren im Ende September immer voll mit aufgesammeltem „Straßenobst“ – zur Freude unserer Mutter (und dann uns: Sie buk die besten Apfelkuchen der Welt!). Seit 1995 kartiere ich die Obstbestände – als Erinnerung an die schöne Kindheit. Bis heute kann ich schönste Sorten wie „Uelzener Rambour“, „Celler Dickstiel“, „Uelzener Calville“ und viele andere Sorten jedes Jahr ernten. Die Kartierung mündet jährlich in Vorschlagslisten, wo alte Obstbäume abgängig sind und wo neue gepflanzt werden sollten.
Seit ein paar Jahren beschäftige ich mich mit den Laubbaumalleen an den Kreisstraßen des Landkreises. Alleen sind nicht nur zu jeder Jahreszeit wunderschön anzuschauen, sie bieten auch vielen Tierarten Nahrungs- und Lebensgrundlagen. Da die Autos heute immer schneller fahren, sind Alleen gefährdet (die ehemalige Forderung des ADAC, alle Bäume von allen Straßen zu entfernen, damit gerast werden kann, ist zum Glück fallen gelassen worden). Trotzdem werden zu viele Alleebäume gefällt und bei Abgängen keine neuen nachgepflanzt. Ich setze mich bei der Unteren Naturschutzbehörde und bei Kreisstraßenamt für das Nachpflanzen ein.
Erkläre uns bitte das „Heide-Revival“!
Seit 2006 trifft sich jährlich einmal eine Gruppe Bevenser Ornithologen, die vor über 50 Jahren bereits gemeinsam loszogen: Rolf Alpers, Jörg Grützmann, Roland Klewwe und Peter Ramachers. Das von uns so genannte „Heide-Revival“ geht über ein Wochenende, wobei das Wiedersehen und Gespräche über Vogelkunde und Vogelschutz, aber auch ehemalig Erlebtes im Vordergrund stehen. Außerdem führen uns an diesen Tagen Exkursionen in Gebiete, die wir seit den späten 1960er Jahren kennen, aber auch in nahe andere Gebiete, zum Beispiel in den Nachbarlandkreis Lüchow-Dannenberg, den wir damals auch oft besucht haben.
Jörg, vielen Dank für das Interview!