Do, 16. November 2023 – Niedersachsen
Muss der Wolf Respekt lernen?
Erfahrungen aus Niedersachsen - Birgit Mennerich-Bunge
Man erhofft sich, dem Wolf dadurch mehr Respekt vor dem Menschen beizubringen. Die „natürliche Scheu“ des Wolfes sollte erhalten werden. Weitere Probleme, wie
Nutztierübergriffe, sollten durch die Bejagung gelöst werden. Der Artikel behandelt die Frage, ob eine Bejagung von Wölfen tatsächlich die erhoffte Verhaltensänderung bewirken kann.
Er erklärt das beobachtete Wolfsverhalten anhand der Charakteristika wildlebender großer Beutegreifer und der zugrundeliegenden Lernprozesse in dicht besiedeltem Umfeld. In diesem Zusammenhang werden die Begriffe „Habituierung“ und „Konditionierung“ genauso, wie die Begriffe „aktive und passive Vergrämung“ erläutert und ihre Bedeutung für Managementmaßnahmen gegenüber Wölfen bewertet. Der Text erklärt, warum Herdenschutzmaßnahmen in Wolfsgebieten bei nicht wehrhaften Nutztieren essentiell sind.
Muss der Wolf Respekt lernen? - Erfahrungen aus Niedersachsen - Birgit Mennerich-Bunge
Leserbrief zu den Artikeln „Im Dialog zum Wolf: Mahnfeuer der Weidetierhalter und NABU-Versammlung in Ostedt“ und „Sachlicher Austausch über den Wolf“ von Lars Becker in der AZ-Online-/AZ-Printausgabe vom 13.11.2023
Der Artikel über die Mahnwache der Bürgerinitiative Weidetier-Mensch-Wolf Nordost-Heide und den Wolfsvortrag von Dr. Birgit Mennerich-Bunge im Rahmen der Mitgliederversammlung des NABU Uelzen reiht sich nahtlos ein in die unausgewogene, unsachliche und interessengesteuerte Presseberichterstattung, mit der seit Monaten Stimmung gegen die Wölfe gemacht wird.
Während sich rund zwei Drittel des Textes mit dem Anliegen der Weidetierhalter/innen beschäftigen, wird der NABU-Veranstaltung lediglich ein Drittel zugestanden. Doch das Ungleichgewicht spiegelt sich nicht nur in der Quantität, sondern auch in der Qualität wider: Der Sprecher der Bürgerinitiative kommt ausführlich zu Wort und auch die Befürchtungen zweier Ostedter Bürger, Wölfe könnten in einem strengen Winter Kinder in Dörfern anfallen, werden getreulich wiedergegeben.
Ausführungen zu den Inhalten des Fachvortrags sucht man indes vergebens, dabei hätte es sich gerade in diesem Punkt angeboten, den subjektiven Ängsten mit den Ergebnissen umfassender Studien zur Gefährlichkeit von Wölfen zu begegnen. Sie zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, von einem Wolf angegriffen zu werden, trotz wachsender Populationen extrem gering ist und seit der Jahrtausendwende in Europa und Nordamerika nur ein einziger Angriff ohne vorheriges auffälliges Verhalten dokumentiert wurde.
Ebenso tendenziös ist der Umgang mit der Titelfrage des Vortrages „Muss der Wolf Respekt lernen?“. Hier wird einmal mehr der BI-Sprecher zitiert, während die Antwort der Referentin der Leserschaft vorenthalten wird. Stattdessen erfährt man, dass die Windlichter vorab mit Lämmchen dekoriert worden waren. Die sich aufdrängende Frage, ob die „Lichter gegen das Vergessen“ auch an Ostertagen angezündet werden, um der rund 930.000 Schafe und Lämmer zu gedenken, die jährlich in Deutschland geschlachtet werden, wird nicht gestellt.
Was aber viel schwerer wiegt, ist das Versäumnis darüber nachzudenken, was es bedeutet, einen Teil der Erinnerungskultur an die Opfer des Holocaust und der NS-Gewaltherrschaft aus ihrem Kontext herauszulösen und Parallelen zu suggerieren, wo es keine gibt. Wölfe töten nicht aus Hass, Gier, Neid, Habsucht oder Rache, sondern um sich und ihre Nachkommen zu ernähren. Sie sind weder grausam noch mordlustig, sie begehen weder Verbrechen noch Massaker. Schafe sind ebenso wenig Opfer von Wölfen, wie Mäuse Opfer von Füchsen oder Frösche Opfer von Störchen sind.
Seiner Trauer um ein geliebtes Tier Ausdruck zu verleihen, ist eine Sache. Aber eine völlig andere Sache ist es, Wölfe öffentlich als Täter anzuprangern, der „am Weidezaun gestellt und entnommen werden [muss]“. Laut Kodex des Deutschen Presserates sind „die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit […] oberste Gebote der Presse.“ Der kritisierte Artikel wird diesen ethischen Ansprüchen nicht gerecht.
Dr. Antje Oldenburg (Ahlden/Aller)